Der eher ungewöhnliche Weg von Lille
Schaut man sich das Tabellentippspiel an, sahen viele Lille nicht besonders stark. Die 16 Teilnehmer am Tippspiel tippten die Doggen auf Platz 5,7 im Schnitt. Das wirkt gar nicht so schlecht, doch dass diese drei Mal auf Platz 8 und vier Mal auf Platz sieben gesehen wurden, verwundert etwas. Nur drei (lolo, Pape und ich) tippten das Team von Super-Ingo auf Platz drei.
Schaut man sich den Kader an, ist es allerdings nicht verwunderlich, dass die Nordfranzosen auf Platz drei stehen und das nur vier Punkte hinter den Ligagrößen aus Paris und Rennes. Klar, beim Team von Super-Ingo sind einige Spieler dabei, die ihren Zenit überschritten haben und/oder in der Ferne spielen. Doch das Team hat auch vor allem eins: Eine enorm hohe Qualität. Spieler wie Maignan oder Luis Diaz sind Aushängeschilder, die im besten Alter und auf einem guten Punkt ihrer Karriere sind. Dazu kommen mit Tielemans, Hancko, Bellegarde oder Robert Sanchez, die ebenso voll im Saft stehen und Spieler wie Dest, Gouiri, Chukwueze, Saelemakers oder Djalo, die noch einen Schritt gehen können, wenn sie mehr in die Spur kommen. Was ich damit sagen möchte: Lille geht einen unpopulären Weg, in dem sie bewusst auf Qualität, auf Stärke setzen, die aber nicht gleich für einen schlechten Kaderwert und ein hohes Alter stehen. Bedenkt man dabei noch, dass Lille in der Vergangenheit über Einberufungen wie David, Leao oder Gabriel Magalhaes verfügt hat und auch in diesem Jahr Spieler wie Mukau, Fernandez-Pardo oder Sahraoui einberufen konnte, wird klar, dass auch für Nachhaltigkeit über diesen Weg gesorgt werden kann. Mit Yoro, Bouanani, Chevalier, Baleba oder Bouaddi bringt der Klub auch noch reihenweise spannende Jugendspieler, weshalb die Strategie von Ingo nur noch nachvollziehbarer ist.
Nicht jedes Team sollte sich um 21 jährige Top-Spieler bemühen. Mit- und Endzwanziger als Teamkern zu haben, die ein hohes bis sehr hohes Niveau haben, ist eine sinnvolle Herangehensweise, insbesondere wenn über die eigene Jugend und Einberufungen immer wieder spannende Spieler hinzukommen.
Zur Saisonhälfte darf sich das Team dann auch die Frage stellen, ob es für einen überraschenden Meistertitel reichen kann. Klar, PSG und Rennes gehören nicht nur in Frankreich, sondern insgesamt im ZOS-Kosmos zu den größten Teams, doch in der Vergangenheit ist es beispielsweise auch Nizza gelungen, ein Schwächeln der großen beiden Klubs aus der Ligue 1 auszunutzen und sich den Meistertitel zu holen.
Mit nur vier Punkten Rückstand ist es zumindest nicht unmöglich, sich ins Titelrennen einzumischen. Wollen sie allerdings ganz oben mitmischen, dürfen sie sich auf Dauer keine Ausrutscher wie gegen Reims, Lyon oder Bordeaux erlauben. Gegen die beiden großen Konkurrenten konnten sie immerhin Unentschieden spielen und zeigen damit, dass sie diesen Einhalt gebieten können.
Die Frage ist, wie es für Lille weitergeht. Ingo ist kein Manager, der aus einem Aktionismus heraus den Kader mit 7 Transfers auf einmal umkrempelt. Vielmehr schaut dieser, dass der Kader punktuell verstärkt werden kann. Mit Dembele und Yongwa scheinen aktuell zwei Spieler für Geld wechseln zu können, was natürlich neue Reserven frei macht, um insbesondere auf dem Auktionsmarkt zuschlagen zu können. Auch eine Investition in Qualität, insbesondere in der Offensive, könnte sehr sinnvoll sein, wenn es darum geht, eventuell im Meisterschaftskampf noch einmal mitreden zu können. Mit Robert Sanchez haben sie dafür auch einen wirklich passenden Tauschspieler, der bei Chelsea Stammtorhüter ist. Durch Mike Maignan im Tor ist dieser bei den Doggen eher überflüssig, auf dem Markt könnte er aber zum passenden Zeitpunkt gefragt sein.
Im Moment lässt sich resümieren, dass sich Lille mit ihrer Qualität unter dem Radar bewegt. Dass das Team auf Platz 3 steht, ist weniger eine Überraschung, sondern der hohen Qualität, insbesondere auf den Schlüsselpositionen geschuldet. Ingo macht daher alles richtig und könnte diese Saison den großen Wurf schaffen.